Standardtext-Entwicklung

Anhang: Standardtext-Entwicklung

Entwicklung einer einheitlichen Fassung des griechischen Neuen Testaments in der Neuzeit

Es zeigte sich die Notwendigkeit, eine einheitliche Fassung des griechischen Neuen Testaments zu entwickeln, um für Übersetzungen in andere Sprachen eine sichere Grundlage zu besitzen. Kurt und Barbara Aland haben in ihrem Buch: Der Text des Neuen Testaments, Stuttgart, 1982 ausführlich über die historische Entwicklung einer einheitlichen Fassung des griechischen Neuen Testaments geschrieben. Ausgangspunkt war die Fassung des griechischen Neuen Testaments von Erasmus von Rotterdam im Jahr 1516. Er benutzte lediglich Handschriften des 12. und 13. Jahrhunderts mit dem byzantinischen Reichstext (Koine).  Auf dieser Basis gab der Holländer Elzevier 1633 eine Fassung heraus, die auch als „Textus receptus“ bekannt geworden ist.

Erst im 18. Jahrhundert wurden zusätzliche Handschriften als Quellen benutzt, so von Bengel und Wettstein.  Lachmann und Tischendorf strebten als Ausgangspunkt Handschriften des 4. Jahrhunderts an. Die Engländer Westcott und Hort stützten sich hauptsächlich auf den Codex Vaticanus.

Nestle und sein Nachfolger Aland haben alle verfügbaren Handschriften einbezogen und einen textkritischen Apparat eingeführt.

Schließlich wurde ein internationales Komitee einberufen, um einen Standard-Text zu erstellen. Kurt Aland war einer der Teilnehmer. Mehrheitsentscheidungen im Komitee waren Bestandteil des Verfahrens, mit allen Vor- und Nachteilen.  Es liegen Fassungen des Textes vor und es wird weiter daran gearbeitet.

Dieser Standard-Text wird durch internationale Bibelgesellschaften und parallele Organe der katholischen Kirche verbreitet.

Zum Standardtext Nestle-Aland im Internet: http://www.nestle-aland.com/de/na28-online-lesen/

Außerkanonische Schriften

Es gab verschiedene Gründe für die Kirche, Schriften nicht in den Kanon des Neuen Testaments aufzunehmen. Lehren, die nicht von Aposteln stammten und nicht mit den Evangelien vereinbar waren, wurden nicht anerkannt: z. B. Gnosis, Marcionismus, Montanismus, Manichäismus. Man nannte die Schriften auch Apokryphen. Die alt-griechische Bezeichnung ist dafür, „apokryphos“, auf Deutsch „verborgen“. Zu diesen Schriften gehören auch sog. Evangelien, die in der Regel nichts Neues zur Kenntnis über Jesus beitragen. Sie sind oft mit gnostischen Elementen vermischt. Dann sog. Apostelakten, mit romanhaften Erzählungen und gewisse Briefe. Schriften der Generationen nach den Aposteln wurden auch nicht in den Kanon aufgenommen, aber zum Teil als lesenswert empfohlen.

Wichtige Quellen für außerkanonische Schriften, die sich mit der Verteidigung des Kanons befassen, befinden sich in der anschließenden Tabelle.

 

Wichtige Quellen für außerkanonische Schriften: 

Bezeichnung Nummer Inhalt Entstehungszeit Fundort Aufbewahrungsort Literaturquelle Entdeckungszeit
Oxyrhynchus Papyrus, griechisch 405 Irenäus: Gegen die Häresien III, 9, 2-3

(Fragment)

2. – 3. Jahrhundert Oxyrhynchus Cambridge

University

Library

Aland/Rosenbaum:

Repertorium der griechischen christlichen Papyri, 1995, Berlin

1903
Jenaer Irenaeus-Papyrus

griechisch

  Irenäus: Gegen die Häresien V,

3,2 – 13,1

(Fragment)

3. – 4. Jahrhundert Oberägypten Jena, Universität,

Phil. Seminar

K. Aland, H.-U. Rosenbaum:

Siehe oben

1911
Codex Claromontanus (B),

lateinisch

  Irenäus: Gegen die Häresien 9. Jahrhundert   Berlin, Staatsbibliothek, Handschriftenabteilung, Ms. Phillips 1669 Lundström: Die Überlieferung der lateinischen Irenaeusüber-setzung, Uppsala, 1985  
Codex Vossianus,

lateinisch

  Irenäus: Gegen die Häresien 1494   Leiden Lundström: Siehe oben  
Handschrift Nr. 450 Justin: Zwei Apologien 1364   Paris Bibliothek der Kirchenväter; Bd. 12, München, Kösel, 1913, Übersetzer Dr. G. Rauschen  
Papyrus Berolin 17076 Eusebius: Kirchenge-schichte VI, 43, 7-8 11-12

(Fragment)

3. – 4. Jahrhundert Hermupolis Magna Berlin, Staatliche Museen K. Aland, H.-U. Rosenbaum:

Siehe oben, S. 199

 
2 syrische Handschriften   Eusebius: Kirchengeschichte 5. – 6. Jahrhundert     Eusebius von Cäsarea: Kirchengeschichte, München, 1967  
Lateinische Handschrift von Rufinus   Eusebius: Kirchengeschichte 402     Eusebius siehe oben  
Codices aus dem 10. – 12 Jahrhundert   Eusebius: Kirchengeschichte 10. – 12. Jahrhundert     Eusebius siehe oben

 

 

Entstehung des Neuen Testaments

Die Entstehung des Neuen Testaments

Jesus Christus wurde im Jahr 29 unserer Zeitrechnung von Johannes dem Täufer im Jordan getauft (im 15. Jahr der Regierung des römischen Kaisers Tiberius; nach Lukas 3, Verse 1 – 2).  Damit begann sein öffentliches Wirken.

Für die Kreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus kommt nach allgemeiner Auffassung die Zeit zwischen 30 und 34  unserer Zeitrechnung in Frage. Näheres zum Tag für die Kreuzigung.

Die Worte und Taten von Jesus Christus wurden anfangs hauptsächlich mündlich überliefert. Die ersten Schriften, die später auch in das Neue Testament übernommen wurden, waren die Briefe von Paulus, die an verschiedene Gemeinden gerichtet waren. Sie stammen aus der Zeit von etwa 50 bis 60 nach Chr.

 

Als die Zahl der überlebenden Augen- und Ohrenzeugen, die die Informationen über Jesus Christus weitergeben konnten, immer mehr abnahm, begann die Niederschrift der Ereignisse in den Evangelien.

Nach Angaben des Kirchenvaters Irenäus entstand zuerst das Matthäusevangelium, als Petrus und Paulus in Rom das Evangelium verkündeten. Nach deren Tod zeichnete Markus, der Schüler und Dolmetscher von Petrus, dessen Predigt auf. Das Markusevangelium soll kurz vor dem Jahre 70 nach Chr. verfasst worden sein. Das Lukasevangelium folgte darauf etwa 80 nach Chr.. Lukas, der Begleiter von Paulus, erwähnt zu Beginn seines Evangeliums, dass ihm viele Augenzeugenberichte vorlagen, die er in die richtige Reihenfolge gebracht hat. Die Niederschrift des Johannesevangeliums, das die anderen Evangelien voraussetzt, gehört in die Zeit um 90/95 nach Chr. Irenäus berichtet, dass Johannes, der Schüler des Herrn, während seines Aufenthaltes in Ephesus in Asien das Evangelium geschrieben hat. Paulus hat einige Briefe, z.B. an die Korinther, während seines mehrjährigen Aufenthalts in Ephesus verfasst (Z. B.: 1. Korinther 16, 8-9).

Lit.: Kurt Aland: Geschichte der Christenheit, Gütersloh 1980, S. 102 ff.  und Irenäus: Gegen die Häresien, 3.Buch, 1. Kapitel 1.

Die biblischen Texte stehen uns nur deshalb zur Verfügung, weil sie immer wieder abgeschrieben wurden. Es gibt kein einziges Original. Schon die Auffindung einer alten Abschrift ist ein Glücksfall, die Auffindung des Originals eines biblischen Textes wäre ein Wunder.

Einige Theologen des 19. Jahrhunderts (vor allem die der Tübinger Schule mit C. F. Baur angehörten) behaupteten, die wichtigsten Schriften des Neuen Testaments hätten nicht vor den dreißiger Jahren des 2. Jahrhunderts existiert (Bruce: Das Neue Testament: glaubwürdig, wahr, verlässlich, Lahr, 1997, S.19). Diese Aussage wird u. a. durch den Fund des Papyrus P52, der aus der Zeit um 125 nach Chr. stammen soll, widerlegt.

Um ein besseres Verständnis für die Evangelien zu bekommen, empfiehlt es sich, im Anhang den Abschnitt: „Zu-Christus-„ zu lesen.

Im Internet frei zugängliche Ausgaben von neutestamentlichen Handschriften

Papyri (allgemein):

http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Papyri_des_Neuen_Testaments

P45 (3.Jh.): Teile von: Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Apostelgeschichte http://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_45

P46 (3.Jh.):  Teile von: Römer, 2. Korinther, Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, 1. Thessalonicher,  Hebräer

http://jesus-der-christus.info/histnt.htm#2.2.3   oder http://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_46

P47 (3.Jh.): Teile von: Apostelgeschichte, Offenbarung  http://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_47

P52 (125):Teile von Johannes 18

https://bibelarchaeologie-online.org/wiki/p52/

http://jesus-der-christus.info/histnt.htm#2.2.1

 

 

P66 (um 200): Teile von Johannes   http://jesus-der-christus.info/histnt.htm#2.2.4

oder  http://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_66

P72 (3. oder 4.Jh.): Teile von: 1. Petrus, 2. Petrus, Judas   http://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_72

 

P74 (7. Jh.): Teile von: Apostelgeschichte, Jakobus, 1. Petrus, 2. Petrus, 1. Johannes, 2. Johannes, 3. Johannes, Judas

http://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_74

P75 (Anfang 3. Jh.): Teile von: Lukas, Johannes

https://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_75

Codex sinaiticus : Vollbibel mit Lücken im Alten Testament, dazu: Briefe des Barnabas, Hirten des Hermes

Codex Alexandrinus: Vollbibel mit Lücken im Neuen Testament, dazu: 1. und 2.

Codex Vaticanus: Vollbibel mit Lücken

Codex ephraemi: Vollbibel mit Lücken  http://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Ephraemi_Rescriptus

oder                                                                         http://www.katapi.org.uk/BibleMSS/Ephraemi.htm

Codex Bezae: griechisches und lateinisches Neues Testament

Lit.: Parker, David C.; Codex Bezae: an early Christian manuscript and its text, Cambridge University Press, 1992

Codex Claromontanus:  Paulusbriefe, Hebräer, nichtkanonische Teile  http://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Claromontanus

Es ist eine griechisch-lateinische Handschrift.

 

Griechische Handschriftenfunde

 

Zur Geschichte der Handschriftenfunde

Die Texte waren im Altertum ursprünglich auf Papyrus (pflanzlicher Ursprung) oder auf Pergament (Tierhaut) geschrieben. Das Material wurde aufgerollt. Später kam die Buchform mit Vorder- und Rückseiten-Beschriftung auf. Sie wurde Codex oder Kodex genannt. Im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Kodex

 

Wichtige Papyrus-Sammler:

  • Grenfell und Hunt

Ende des 19 Jh. wurden in Ägypten, und zwar in Oxyrhynchus, die ersten Papyri gefunden. Oxyrhynchus war eine von Griechen gegründete Großstadt mit vielen Kirchen und Klöstern. Heute heißt der Ort Al Bahnasa. Bernard Pyne Grenfell war Papyruswissenschaftler an der Universität Oxford. Mit seinem Freund und Kollegen Arthur Surridge Hunt beteiligte er sich an archäologischen Grabungen in Oxyrhynchus und entdeckte viele alte Manuskripte einschließlich einige der ältesten bekannten Abschriften von Bibeltexten. Die umfangreiche Sammlung befindet sich heute in einem Oxforder Museum. Im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_Pyne_Grenfell

 

  • Chester Beattty

Chester Beattty war ein amerikanischer Bergbauingenieur, der u. a. auch Papyrushandschriften sammelte. Die Handschriften entstanden in früheren christlichen Kirchen in Ägypten und werden größtenteils auf das 3. und 4. Jahrhundert datiert. Er hat diese Handschriften um 1930 erworben. Diese Papyri befinden sich heute in der Chester Beatty Library in Dublin. Im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Chester-Beatty-Papyri_(Bibel)

 

  • Bodmer

Martin Bodmer wurde als Sohn wohlhabender Eltern in Zürich geboren. Er trug ca. 150.000 Werke in achtzig Sprachen aus drei Jahrtausenden zusammen, darunter das älteste nahezu vollständig erhaltene Manuskript des JohannesEvangeliums (Papyrus Bodmer II oder P66) aus dem Ende des 2. Jahrhunderts. Die Schriftensammlung befindet sich seit 1951 in Cologny bei Genf. Im Jahre 2014 begann die Universität Genf damit, einen Teil der Sammlung zu digitalisieren. Im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Bodmer_(Privatgelehrter)

 

 

Wichtige Codex-Funde:

 

  • Codex Vaticanus

Der Codex Vaticanus Graecus 1209 ist eine Pergamenthandschrift mit dem fast vollständigen Text des Alten und Neuen Testaments in griechischer Sprache. Sie wurde im 4. Jahrhundert in Majuskelschrift geschrieben. Der Codex Vaticanus gehört zusammen mit dem Codex Sinaiticus zu den bedeutendsten griechischen Handschriften der Bibel. Er befindet er sich in der Vatikanischen Bibliothek in Rom.

Im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Vaticanus_Graecus_1209

 

  • Codex Sinaiticus

Der Codex Sinaiticus ist ein BibelManuskript aus dem 4. Jahrhundert. 1844 wurde der Codex von Konstantin von Tischendorf im Katharinenkloster am Berg Sinai (Ägypten) entdeckt. 43 Blätter dieser Handschrift veröffentlichte er 1846. Der Codex enthält große Teile des Alten und ein vollständiges Neues Testament in altgriechischer Sprache. Es ist die älteste vollständig erhaltene Abschrift des Neuen Testaments. Die Zarentochter Marie von Hessen-Darmstadt finanzierte Tischendorf Reisen und schenkte weitere Funde dem Zaren Alexander II. Unter Stalin wurde der Codex 1933 an England verkauft und befindet sich seitdem im British Museum in London. Seit 2009 ist er im Internet vollständig einsehbar.  Im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Sinaiticus und

 

Vorschau der Tabelle:

 

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Bezeichnung Nummer Inhalt Entstehungszeit Fundort Aufbewahrungsort Literaturquelle Entdeckungszeit
 Einige Papyri:
John Rylands Papyrus p52 Johannes 18 (Fragment) ca. 125 n. Chr. Fayum (Ägypten) Manchester  John Rylands Library Aland, S. 109; Paret, Tafel 3 1935
Chester Beatty Papyri p45, p46, p47 NeuesTestament (Teile) 200 – 300 n. Chr. Fayum (Ägypten) Dublin und Michigan University Aland, S. 108; Paret, Tafeln 4 – 6 1930
Bodmer Papyri p66,p72, p74, p75 NeuesTestament (Teile) 200 – 600 n. Chr. Ägypten Cologny bei Genf (Bibliothek) Aland, S. 117 1956
Einige Pergamente mit Großbuchstaben (sog. Majuskeln/Unzialschriften):
Codex Sinaiticus (À) sinaiticus Altes und neues Testament 4. Jh. n. Chr. Berg Sinai London (Brit. Libr.) Aland, S. 117; Paret, Tafeln 12,13 1844 – 1859
Codex Alexandrinus (A) alexandrinus Altes und neues Testament 5. Jh. n. Chr. Alexandria London (Brit. Libr.) Aland, S. 118; Paret, Tafel 14 11. Jh.
Codex Vaticanus (B) vaticanus Altes und neues Testament 4. Jh. n. Chr. Rom (Vatikan) Aland, S. 118; Paret, Tafel 10 15. Jh.
Codex Ephraemi rescriptus (C) ephraemi
Altes und neues Testament 5. Jh. n. Chr. Paris Aland, S. 118; Paret, Tafel 15 12. Jh.
Codex Bezae Cantabrigiensis(D), (auch lateinisch) bezae Neues Testament 5./6. Jh. n. Chr. Nordafrika Cambridge University Aland, S. 118; Paret, Tafel 19; Parker, S. 282 16. Jh.
Codex Claromontanus claromontanus Neues Testament (Teile) 6. Jh. n. Chr. Clermont Paris Aland, S. 119 16. Jh.
Handschriften mit Kleinbuchstaben (sog. Minuskeln) – ab dem 9. Jahrhundert Aland, S. 137  
Ausgewählte Texte für Lesungen in Gottesdiensten (Lektionare) und Zitate bei den sog. Kirchenvätern  Aland, S. 179

 

Literatur:

Kurt und Barbara Aland: Der Text des Neuen Testaments, Stuttgart, 1982

Oscar Paret: Die Bibel – ihre Überlieferung in Druck und Schrift, Stuttgart, 1949

Willem J.J. Glashouwer: Die Geschichte der Bibel, Bielefeld, CLV,1998