Außerkanonische Schriften AT (Apokryphen)

Die Apokryphen

Apokryphen sind Texte, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden.

Die altgriechische Bezeichnung dafür, „apokryphos“, auf Deutsch „verborgen“, hat sich eingebürgert. Sie ist aber für das Alte Testament unzutreffend. Gemeint sind eigentlich Schriften, die sich im Stil und Inhalt an biblische Bücher anlehnen und den Anspruch erheben, gleichbedeutend zu sein. Z. B.: Ein bekannter Patriarch oder Prophet soll der Verfasser sein und es werden Informationen und Belehrungen vermittelt, die die Bibel ergänzen sollen.

Deswegen wäre die richtigere Bezeichnung außerkanonische Schriften

(Lit.: Hrsg. Alfred Schindler: Apokryphen zum Alten und Neuen Testament. Manesse-Verlag Zürich, 1988, Vorwort).

Weitere Einzelheiten unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Apokryphen

Da die griechische Übersetzung Septuaginta mehr Bücher enthielt als die hebräische Bibel, wurde sie von den Juden nicht anerkannt.

Christen haben apokryphe Schriften je nach Konfession unterschiedlich behandelt. Die katholische und die orthodoxe Kirche orientierten sich beim Kanon an den Schriften der Septuaginta. Evangelische Kirchen schlossen sich dem jüdischen Kanon an und sahen alle darüber hinausgehenden Schriften als apokryph an.

Nach dem jüdischen Kanon (und evangelischen Kanon) sind folgende Schriften apokryph (ungekennzeichnete Links führen in der Regel zu Wikipedia):

Diese Schriften gehören in der katholischen Kirche zum Kanon.

Apokryph sind in der katholischen Kirche folgende Schriften:

Motive zum Abfassen apokrypher Schriften können unterschiedlich sein. Oft sind Beschreibungen in der Bibel sehr allgemein gehalten: Handlungen werden angeführt, ohne Begründungen anzugeben, manchmal werden auch keine Namen genannt und das geschichtliche und geographische Umfeld wird ausgeklammert. Das weckt Neugier und veranlasst wie in einem Roman ausmalende Beschreibungen (Alfred Läpple: Die geheimen Schriften zur Bibel, Bassermann-Verlag, 2002, S. 22).

Einige Beispiele dazu:

Zu Abraham in 1. Mose (Genesis) ein Qumrantext 1Q apGen in aramäischer Sprache, 3. Jahrhundert vor Chr. Hier spricht Abraham persönlich über seine Erlebnisse und Visionen:

Gott erschien mir in einer nächtlichen Vision und sagte zu mir: „Geh hinauf nach Ramat Hazor, das im Norden von Bet-El, wo du jetzt wohnst, liegt, und blicke auf. Schau nach Osten, Westen, Süden und Norden. Sieh dir all dieses Land an, das ich dir und deinen Nachkommen geben will für alle Zeiten.“ Also ging ich am nächsten Tag hinauf nach Ramat Hazor und sah mir das Land von jener Anhöhe aus an, vom Fluss Ägyptens bis zum Libanon und dem Senir und vom Mittelmeer bis zum Hauran und das ganze Land von Gebal bis nach Kadesch und die ganze große Wüste bis zum Ostrand von Hauran und Senir bis zum Eufrat. Und er sprach zu mir: „Ich will das ganze Land deinen Nachkommen geben; sie werden es für immer erben …“ usw. (Übersetzung bei Läpple S. 52).

Über Melchisedek, der in 1. Mose 14, 18 nur kurz erwähnt wird, wird ausführlicher berichtet im Qumrantext 11 Q 13, 150 vor Chr.: Melchise dek, der ihnen zurückgeben wird, was ihnen rechtmäßig gehört. Er wird ihnen das Jubeljahr verkünden und s ie dabei befreien von der Schuld a ll ihrer Sünden. Er soll ver künden diesen Erlass in der er s ten Woch e des Jubeljahrs, das auf neun J ubeljahre fol gt), wenn er sühnen wird für all die Söhne des Lichts und das Vol k, das vor herbestimmt ist dem Mel chi sedek … usw.). (Übersetzung bei Läpple S. 59)

Über Isaak wird auch hinsichtlich der Einrichtung der Grabstätte in 1. Mose 25, 10 und 35, 27 -29 im sog. Jubiläumsbuch ausführlicher: berichtet:

Isaak rief seine beiden Söhne Esau und Jakob. Sie kamen zu ihm, und er sprach zu ihnen: „ Meine Söhne! Ich gehe den Weg meiner Väter, zu dem ewigen Haus, wo meine Väter sind. Begrabt mich nahe meinem Vater Abraham in der Doppelhöhle auf dem Feld des Hethiters Efron, in der Höhle, die Abraham zu seinem Grabmal erwarb. Dort in dem Grab, das ich mir selbst grub, begrabt mich! … usw.)

Auszüge aus dem Jubiläumsbuch befinden sich auch in Qumrantexten: 1 Q 17, 1 Q Jub a ; 1 Q 18, 1 Q Jub a . (Übersetzung bei Läpple S. 61)

Eine gute Fundstelle für Schriften aus Qumran, Massada, u. a. Orte am Toten Meer ist die Seite http://www.deadseascrolls.org.il/home. Dort explore-the-archive eingeben.

Zum Kanon des Alten Testaments

Als Jesus Christus in Israel lebte, gab es nur die Schriften des heutigen Alten Testaments. Er hat aus ihnen viel zitiert.

Diese jüdische Bibel entstand in der Zeit, als sich der israelische Staat bildete.

Ursprüngliche Bestandteile sind mündlich überlieferte Erzählungen, die von Priestern oder Propheten theologisch konzipiert und interpretiert worden sind.

Zu den ältesten schriftlichen Urkunden der Bibel gehören die 10 Gebote, die von Mose dem israelischen Volk übergeben wurden. Es handelt sich um zwei Steintafeln, die in einer hölzernen sog. Bundeslade transportiert wurden (5. Mose 10, 1 – 5). Salomo ließ sie in den neugebauten Tempel überführen (1. Könige 1 – 8). Mit der Zerstörung des Tempels durch die Babylonier 586 v. Chr. sind auch die Tafeln vernichtet worden.

Der Gott Jahwe wurde bereits 850 v. Chr. in archäologischen Funden erwähnt (vgl.: Mes[ch]a-Stele ). Das älteste Bibelzitat ist aus der Zeit 700 – 600 vor Chr. erhalten (siehe: Silber-Amulette)

Schon lange vor Christus gab es unter den Israeliten Bücher der Bibel, die allgemein anerkannt waren.

Die Schriften des Gesetzes von Mose wurden 622 v. Chr. vom Hohenpriester Hilkija im Tempel gefunden und dem König Josia überreicht (2. Könige 22, 8 – 20).

Vom Propheten Jeremia ist ein Amtssiegel des Schreibers Baruch von ca. 600 vor Chr. erhalten (siehe: Amtssiegel).

Der Jude Nehemia wurde vom Perserkönig Artaxerxes I (464 – 424 v. Chr.) als Statthalter in Judäa eingesetzt. Er ließ den Priester Esra das Gesetz von Mose vor dem versammelten Volk vorlesen (Nehemia 8, 1 – 12).

Nach Josephus wurden 22 Bücher in der Zeit des persischen Königs Artaxerxes als kanonisch angesehen, von Mose bis zum Propheten Maleachi (Lit. Flavius Josephus: Über die Ursprünglichkeit des Judentums (Contra Apionem), Hrsg. Folker Siegert, 2008, Göttingen, S. 104). Josephus meint: Die nach dieser Zeit  entstandenen Bücher wurden nicht mehr anerkannt, weil es keine lückenlos aufeinanderfolgenden Propheten mehr gab. Das letzte Buch des Alten Testaments ist demnach der Prophet Maleachi.

Der Übersetzer des hebräischen Buches Jesus Sirach (Enkel von Sirach) verfasste  etwa 130 vor Chr. die griechische Übersetzung der Vorlage seines Großvaters. Im Vorwort setzt er die jüdische Bibel (das Alte Testament) voraus und spricht von einer Dreiteilung der biblischen Schriften:

  • Gesetz (Thora)
  • Propheten
  • andere Bücher

Hebräische Fragmente des Buches Jesus Sirach wurden in Qumran und in Massada gefunden (geschrieben etwa 50 – 100 v. Chr.)

 (Aus: The Hebrew Text of Sirach: A Text-Critical and Historical Study by Alexander A. di Lella, The Hague: Mouton & Co., 1966).

Hier eine Fundstelle für Schriften aus Qumran, Massada, u. a. Orte am Toten Meer.

Wie schon Jesus Sirach haben die Juden ihre biblischen Schriften in drei Kategorien eingeteilt: Thora („Weisung“), Nevim („Propheten“) und Ketuvim („Schriften“). Die hebräischen Anfangsbuchstaben dieser Teile ergeben mit eingefügten Vokalen das Wort Tanak (oder Tenak), ausgesprochen Tanach (oder Tenach).

Auch Jesus sprach vom Gesetz des Mose, den Propheten und den Psalmen (der Hauptteil der übrigen Schriften), zu finden in Lukas 24, Vers 44.

Wenn man aus den Textfunden in Qumran Schlüsse auf die Zustände in Israel in der Zeit von Mitte des 3. Jahrhunderts bis 68 nach Chr. ziehen will, ergibt sich folgende Situation: Es gab verschiedene leicht unterschiedliche Glaubensrichtungen nebeneinander.

Es gab Abschreiber, die in Textvorlagen Änderungen einfügten, z. B. vereinfachte Lesarten, oder eine eigene Orthographie. Diese Texte werden manchmal als „Vulgärtexte“ bezeichnet.

Daneben gab es Abschreiber, die den Text sorgfältig übernahmen. Das waren vermutlich Texte, die bei öffentlichen Anlässen in der Liturgie Verwendung fanden. Diese werden entsprechend manchmal als „Nicht-Vulgärtexte“ bezeichnet (Lit: Emanuel Tov: Der Text der hebräischen Bibel, 1997, Kohlhammer Verlag, Stuttgart, S. 159). Die „liturgischen“ Texte sind in Qumran relativ häufig vertreten.

Althebräisch geschriebene Texte gehören überwiegend zu den älteren Handschriften in Qumran. Sie stammen fast alle aus den 5 Mosebüchern (Lit.: Johann Maier: Studien zur jüdischen Bibel und ihre Geschichte, Walter de Gruyter, Berlin – New York, 2004, S. 112).

Das jüdische Gemeinwesen, die Hierokratie, also die Herrschaft des Hohenpriesters, und auch der jüdische Tempel mit dem Opferkult waren in den Jahren 70 bis 73 nach Chr. nach der Erstürmung von Jerusalem durch die Römer unter Titus endgültig untergegangen.

Danach musste die Schrift – als einzige noch existierende Grundlage der jüdischen Religion und des jüdischen Volkes – gerettet werden.

Das Judentum musste sich reorganisieren.

In der Zeit vom  7.  – 11. Jahrhundert haben sog. Masoreten den Text standardisiert. Masoreten („Überlieferer“) sind jüdische Gelehrte, die den Text nicht nur kopierten, sondern auch die Redaktion und Standardisierung der Textvorlage vornahmen.

Die alten Schriften aus der Zeit des 2. Tempels waren nur mit Konsonanten überliefert. Da die hebräische Sprache nicht mehr Umgangssprache war, wusste man nicht mehr genau, wie der Text ausgesprochen werden sollte. Daher mussten Vokal- und Lesezeichen eingefügt werden. Die Masoreten kümmerten sich auch um Textvarianten und vermutete Fehler.

Die Schulen der Masoreten befanden sich in Babylonien und in Palästina. In Palästina erstand das Schriftgelehrtenzentrum in Tiberias.

Besonders bekannt waren aus Tiberias die Familien Ben Ascher und Ben Naftali. Das System der Familie Ben Ascher hat sich im 11. Jahrhundert in Europa durchgesetzt.

Die Abschrift eines Exemplars von Aaron ben Mosche ben Ascher aus dem Jahr 1008 nach Chr. befindet sich in Petersburg.

Christen haben die Bücher des hebräischen Tanach übernommen und ergänzten sie mit Büchern der Septuaginta, je nach Konfession leicht unterschiedlich. Daraus entstand der Kanon des Alten Testaments.

Kanon als Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Rohr“. Im alten Orient wurde ein Stab zum Messen benutzt. Im frühkirchlichen Gebrauch bezeichnet „Kanon“ eine Glaubensregel, die von der Tradition bezeugt wird. Athanasius unterschied zwischen kanonischen Schriften, die überliefert und als von Gott stammend geglaubt werden und apokryphen Schriften, in denen Irrlehrer ihre Lehren mit den von Gott inspirierten vermischt haben (Lit.: Donath Hercsik: Die Grundlagen unseres Glaubens, 2005, LIT-Verlag Münster S.71 ff).

Erstaunlich bei Allem ist zum einen, wie gut die Textüberlieferung des Alten Testaments ist (vgl. Funde in Qumran und Massada), zum anderen, wie trotz verschiedener Verfasser zu verschieden Zeiten bei den Texten eine geistliche Einheit zu erkennen ist.

Alte Übersetzungen

Reichs- und Mittelaramäisch

Nach der Zerstörung Jerusalems und des dortigen Tempels durch Nebukadnezar II. im Jahre 586 v. Chr. und dem darauf folgenden babylonischen Exil kam die dortige Amtssprache Aramäisch unter den Juden in Umlauf, sodass das Hebräische fortan in Konkurrenz zum Aramäischen stand und viele Einflüsse von diesem aufnahm.

Im mehrsprachigen Perserreich wurde 550 – 330 v. Chr. aramäisch zu einer der offiziellen Reichssprachen („Reichsaramäisch“); es war von Kleinasien und Ägypten bis zum Indus verbreitet. Seine Bedeutung spiegelt sich auch in der jüdischen Bibel wider, wo einige spät entstandene Textpassagen in aramäischer Sprache verfasst sind. Seit etwa 500 v. Chr. wurden im Hebräischen die Schriftzeichen des Aramäischen übernommen („Quadratschrift“) und es werden innerhalb des Judentums heute beide Sprachen in derselben Schrift mit 22 Konsonantenzeichen geschrieben. Auch wird das Aramäische neben dem Hebräischen als Sprache der jüdischen Tradition empfunden. Zahlreiche Texte, die in Qumran gefunden wurden, sind in aramäischer Sprache verfasst.

Aus Tayma in Arabien sind aramäische Inschriften bekannt, die um 500 v. Chr. datieren. Auch im Gebiet der Nabatäer wurden zahlreiche aramäische Inschriften gefunden, ebenso auf dem Sinai und in Turkmenistan.

In Palästina verdrängte das Aramäische das Hebräische zunehmend. In der Zeit von Jesus wurde dort überwiegend Aramäisch gesprochen. Um die Zeitenwende war Aramäisch neben der griechischen Koine die allgemein gebrauchte Verkehrssprache des Nahen Ostens.

Klassisches Aramäisch (Bibeltexte)

Die jüdischen Bibelübersetzungen ins Aramäische für den Synagogalgebrauch (Targume) und der Jerusalemer Talmud gehören zum westaramäischen Sprachzweig. Daneben steht das Ostaramäische u. a. beim babylonischen Talmud. Ein wichtiger Vertreter des Zentralaramäischen ist das Syrische, das zum Beispiel in der Peschitta (christlich-aramäische Bibelübersetzung) und in Schriften der Kirchenväter dokumentiert ist.

 Alt-Griechisch (die Septuaginta)

Als Palästina gegen 333 v. Chr. Teil des  griechischen Großreichs unter Alexander dem Großen geworden war und seine Nachfolger die Herrschaft übernommen hatten, sind viele Juden nach Ägypten ausgewandert. Besonders zog es sie in die kulturell hochstehende Stadt Alexandria. Dort bildete sich ein hellenistisches Judentum. Diese Juden benötigten eine griechische Bibel.

Nach der Aristeasbrief-Legende wurde die hebräische Bibel von 72 jüdischen Gelehrten  ins Alt-Griechische übersetzt, eine historisch nicht nachweisbare Behauptung. Die Zahl 72 wurde auf 70 gerundet. Daraus entstand der Name Septuaginta, die lateinische Übersetzung von 70 (die lateinische Zahl dafür: LXX).

Die Übersetzung des damaligen Kanons ist so gegen 250 vor Chr. entstanden.

In Qumran und Massada wurden einige Fragmente aus dem 1. Jahrhundert vor Christus gefunden. Beispiele: 4QLXXLeviticusa, 4QLXXNumbers.

Eine gute Fundstelle für Schriften aus Qumran, Massada, u. a. Orten am Toten Meer ist die Leon Levy Dead Sea Scolls Digital Library.

Ursprünglich war die Septuaginta eine Übersetzung der Tora, der fünf Bücher Mose, in die altgriechische Sprache für den Synagogalgebrauch (Targum). Später wurde der Begriff vor allem von Christen auf griechische Versionen des Alten Testaments ausgeweitet. In dieser späteren christlichen Form enthielt die Septuaginta sowohl alle griechisch übersetzten Bücher der Hebräischen Bibel als auch weitere Bücher, teils in griechischer Übersetzung, teils als griechische Originaltexte.

Griechische Schriftstellen, sprich die Septuaginta, kann man auf folgender Internetseite finden: http://www.bibleserver.com/.

Alte Handschriften

Handschriften des Alten Testaments

Der älteste Bibeltext war bis 1947 der Aleppo-Codex, der ca. 920 nach Chr. von jüdischen Schriftgelehrten, den sog. Masoreten, in Hebräisch geschrieben wurde. Er befand sich in der Zentralsynagoge in Aleppo, die 1947 in Brand gesteckt wurde. Große Teile dieser Schrift konnten gerettet werden und sind jetzt in Jerusalem im Israel-Museum. Eine vollständige Handschrift aus dem Jahr 1008/09 nach Chr. ist der Codex Leningradensis (Handschrift B19A)  in St. Petersburg (Russland). Es handelt sich um einen hebräischen Text, auch von  Masoreten geschrieben. Er wurde u. a. von Martin Luther zur Bibelübersetzung benutzt.

Bis 1947 gab es in Palästina nur wenig Schriftfunde aus dem Altertum. Gegen Ende 1946 warf ein arabischer Vieh-Hirt aus Neugier Steine in eine Höhle in Qumran am Toten Meer. Man konnte hören, dass etwas zerbrochen war. Ein anderer Hirt namens Dhib stieg später in die Höhle und fand einen Tonkrug (60 cm hoch) mit drei Schriftrollen. Im März 1947 hat er sie einem Antiquitätenhändler angeboten. Der Händler war ein syrisch -orthodoxer Christ. Er vermittelte ein Treffen mit dem syrisch-orthodoxen Metropoliten Mar Samuel. Der kaufte die Rollen. Der Metropolit nahm Kontakt auf zu Professor Eliezer Sukenik von der Hebräischen Universität in Jerusalem.

Qumranhöhlen © Erhard Bisanz

Sukenik war der erste, der das Alter der Dokumente erkannte. Sukenik kaufte deshalb weitere vier Rollen aus derselben Höhle am 29. November 1947, an dem Tag, an dem die Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedeten, die zur Gründung des Staates Israel führte.

In der Abbildung sehen wir an der Felsnase des linken Steilfelsens in Qumran die Höhle 4.

Tonkrüge in Qumran© Erhard Bisanz

Im Februar 1948 nahm der Metropolit Kontakt auf zur American School of Oriental Research in Jerusalem. Dort wurde das Fotografieren der Dokumente veranlasst. Dank der Fotografien sind diese Texte erhalten geblieben. Danach wurden die Dokumente an die Johns Hopkins Universität in Baltimore weitergereicht. Im April 1948 war klar, dass man das früheste bekannte Manuskript des Buches Jesaja gefunden hat. Die Altersbestimmung folgt aus Ergebnissen der C-14-Analyse des Ledermaterials und aus der Schriftform. Das war eine Sensation (Meldung in der Londoner Times am 12. April).  Der Metropolit brachte seine Rollen über den Libanon in die USA, um sie zu verkaufen. Wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse hatte er lange Zeit keinen Erfolg. Im August 1954 gab er eine Anzeige im Wall Street Journal auf. Der Sohn von Prof. Sukenik nahm sie zur Kenntnis. Er veranlasste über einen Mittelsmann den Kauf für 250 000 Dollar und überreichte die Rollen dem Staat Israel. Für diese Rollen und die anderen Rollen von Sukenik wurde in Jerusalem ein eigenes Gebäude namens „Schrein des Buches“ errichtet.

(Lit. : James C. VanderKam: Einführung in die Qumranforschung. Geschichte und Bedeutung der Schriften vom Toten Meer. Vandenhoek und Ruprecht, Göttingen, 1998, S.36 ff).

Das führte im Anschluss zu intensiven Nachforschungen mit vielen weiteren Schriftfunden in verschiedenen Höhlen. 202 der über 870 Rollen sind Abschriften alttestamentlicher Bücher, die ältesten aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.

(Lit.: J. Maier: Studien zur jüdischen Geschichte, Walter de Gruyter, Berlin, 2004, S. 111ff; Lexikon zur Bibel, 8. Auflage 2010, SCM Brockhaus, vgl. aber auch den Artikel „Tanach“ bei wikipedia;  Welt und Umwelt der Bibel, Hrsg. Katholisches Bibelwerk, Heft 9, 3. Quartal 1998, Stuttgart, S. 40.- Eine gute Fundstelle für Schriften aus Qumran, Massada u. a. Orte am Toten Meer ist die Seite „deadseascrolls“ mit der Unterseite explore-the-archive.)

Am Toten Meer werden immer noch Schriftrollenfragmente und anderes mehr entdeckt, jetzt  im Wüstenreservat Nahal Hever. Dass die Arbeit dort  also noch weitergeht, zeigt ein Bericht des Israelnetzwerks vom 16.03.2021 .

Wie Alexander Schick ausführt, sollen durch die Zusammenarbeit zwischen dem Internetkonzern Google und dem Israel-Museum alle Schriftfunde von Qumran digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Als erstes Ergebnis befindet sich seit September 2011 unter anderem die große Jesaja-Rolle im Internet, ebenso die englische Übersetzung in Gegenüberstellung zum Masoreten-Text des Jesajabuchs. Die genaue Übersetzung der Rolle kann davon leicht abweichen.

Ein Vergleich mit dem Masoreten-Text, dem Aleppo-Codex, ist auch auf Hebräisch möglich. Die Fassung des Rollen-Textes stimmt in der Regel mit der masoretischen oder traditionellen Version in mittelalterlichen Handschriften wie dem Aleppo Codex überein, aber sie enthält auch unterschiedliche Lesarten, alternative Schreibweisen, Schreibfehler und Korrekturen. Erstmalig zeigt der Rollentext auch auf, wie Hebräisch in der Zeit des Zweiten Tempels ausgesprochen wurde.

Bei allen Unterschieden ist es jedoch erstaunlich, wie gering inhaltliche Abweichungen zwischen der großen Jesaja-Schriftrolle und dem Masoreten-Text sind.

Im Israel-Museum in Jerusalem ist eine Kopie der Schriftrolle zu besichtigen, manchmal werden sogar Teile des Originals gezeigt. Das Original wird speziell aufbewahrt.

In Jesaja 53 wird weit vor der Geburt von Christus der Gottesknecht angekündigt, der stellvertretend für die Schuld aller Menschen bestraft wird, um Versöhnung mit Gott zu schaffen. Aus den Texten des Neuen Testaments ergibt sich, dass mit dem Gottesknecht Jesus Christus gemeint ist. Jesus könnte schon in Nazareth aus dieser Schriftrolle vorgelesen haben (Lukas 4, 16 ff).