Der Stern der Weisen
Im Altertum waren Magier gleichzeitig Astronomen und Astrologen. Matthäus berichtet über Magier aus dem Osten, die sich aufgrund einer astronomischen Besonderheit auf die Suche nach dem neugeborenen König machen und nach Jerusalem ziehen.
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In Matthäus 2 steht:
1 Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Magier vom Osten nach Jerusalem und sprachen:
2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen in dem Aufgang und sind gekommen, ihn anzubeten.
3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem,
4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.
5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1):
6 »Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,
8 Herodes schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete.
9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.
10 Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut
11 und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
12 Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land…
16 Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Knaben in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte.
17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15):
18 »In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.«
Lange Zeit herrschte Unklarheit über diesen Text und es gab verschiedene Spekulationen.
Von den vielen Deutungsvorschlägen sind alle zurückzuweisen, die nur zu einer sehr kurzfristig sichtbaren Stern-Erscheinung führen, z. B. Sternschnuppen, Meteoriteneinfälle, Nebensonnen.
Von den längerfristig sichtbaren Erscheinungen kommt nur ein Komet, eine Supernova oder eine bestimmte Planetenkonstellation in Frage. Der Halleysche Komet fällt außer Betracht, weil er 12 vor unserer Zeitrechnung erschien. Über eine Supernova gibt es keine Berichte.
Nun zu der Planetenkonstellation.
Wir wissen, dass Planeten die Sonne in unterschiedlichen Abständen, Zeiträumen und Geschwindigkeiten umkreisen. Die Fixsterne bilden Sternbilder. Bedingt durch die Bewegung der Erde um die Sonne werden je nach Jahreszeit andere Sternbilder sichtbar. Für die Zwecke ihrer astronomischen Berechnungen haben die Babylonier die Bahnen der Planeten, den sog. Tierkreis mit 360 Grad (griech. Zodiakos), in 12 x 30 Grad Abschnitte aufgeteilt. Die Abschnitte wurden nach Tierkreiszeichen benannt.
Der Zeitpunkt der Begegnung von Planeten in einem Tierkreis-Sternbild lässt sich berechnen.
Der Astronom Kepler kam im Jahr 1604 als erster auf die Idee, dass beim Stern der Weisen die dreifachen Begegnungen der hellen Planeten Jupiter und Saturn im Tierkreis-Sternbild Fische eine Rolle spielen. Er errechnete als Zeitpunkt dieser Begegnungen das Jahr 7 vor Chr. (Lit. : Kroll S. 64 ff; F. Delitzsch: Wo lag das Paradies?, 1881, S.133 und
http://sternwarte-recklinghausen.de/data/uploads/dateien/pdf/sternvonbethlehem.pdf ).
Die babylonischen Astronomen hatten mathematische Methoden, um ziemlich genaue Voraussagen zu bestimmten Planetenerscheinungen über lange Zeiten hinweg zu errechnen.
Eine dreifache Begegnung von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische ereignet sich selten (alle 854 Jahre). Das bewegte babylonische Sternforscher. Sie betrachteten es als ein himmlisches Zeichen und fertigten dafür Berechnungstafeln an.
Auf Keilschrifttafeln der Babylonier befanden sich oft Hinweise, dass im Westen ein großer König kommen wird, der Gerechtigkeit, Friede und Freude in allen Ländern schaffen wird. Das kann durchaus damit zusammenhängen, dass in Babylon zurückgebliebene Juden die Messiaserwartung auch anderen Babyloniern mitteilten (Lit.: Ferrari d’Occhieppo: Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht: Legende oder Tatsache, Giessen, 1994, S. 52 ff).
Der Orientalist Schnabel übersetzte im Jahr 1925 eine babylonische Schrifttafel (VAT 290+1836), die das Ereignis vom Jahre 7 vor unserer Zeitrechnung voraussagte. Sie befindet sich im Vorderasiatischen Museum Berlin. (Lit.: P. Schnabel, Der jüngste datierbare Keilschrifttext, in Zeitschrift für Assyriologie, Neue Folge, 36, 1925, S. 66 ff; der Text im Internet: http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/dmg/periodical/pageview/113885 und die Abbildung dazu http://www.jenseits-des-horizonts.de/item/069/ ).
Drei weitere Fragmente zu diesem Ereignis befinden sich im Britischen Museum in London (Lit.: Ferrari d’Occhieppo, S. 16). Die vier Teile ergänzen einander weitgehend, so dass daraus die Daten fast aller vorausberechneten Himmelserscheinungen dieses Jahres ersichtlich sind.
Sowohl bei den Römern als auch bei den Babyloniern war Jupiter der Stern des höchsten Gottes und der Königstern. Wegen seiner Helligkeit war er bei den Babyloniern der Stern schlechthin. Saturn war der Stern, dem von den Babyloniern das Land amurru (Syrien mit Palästina) zugewiesen wurde (Kroll, S. 67 und Ferrari d’Occhieppo, S. 50).
Die dreifache Begegnung von Jupiter und Saturn im Tierkreis-Sternbild Fische war dann offensichtlich der Anlass der Reise der Magier nach Jerusalem, wo sie den König Herodes aufsuchten. Bezeichnend für ihre Erwartungshaltung war, dass sie wertvolle Geschenke mitnahmen.
Die Angaben bei Matthäus (Kapitel 2) enthalten astronomische Ausdrücke und lassen vermuten, dass Matthäus sich auf den Bericht eines Magiers, der Christ geworden war, stützte.
Bei der Ankunft der Magier, die aus dem Osten kamen, erfuhr Herodes, dass sie den neugeborenen König der Juden suchten, weil sie seinen Stern haben aufgehen sehen. Herodes war erschrocken. Werden seine Herrschaftspläne-Pläne damit durchkreuzt?
Herodes befürchtete zeitlebens Verschwörungen gegen ihn. Er hatte mit verschiedenen Frauen Kinder gezeugt. Einige wurden hingerichtet und er musste dazu jeweils die Genehmigung des römischen Kaisers einholen.
Er ließ seine Theologen zusammenkommen und fragte sie, wo der Messias geboren werden soll. Sie antworteten, dass der Ort Bethlehem in Judäa ist. Er zog sich mit den Magiern zurück und fragte sie nach dem (ersten) Erscheinen des Sterns (im Frühaufgang). Er wollte nämlich das Alter des Kindes schätzen (nach damaliger Auffassung ging bei der Geburt eines Menschen sein Stern auf. Siehe Kroll S. 66). Die Magier gaben ihm vermutlich den Märztermin, den Zeitpunkt der ersten Begegnung von Jupiter und Saturn beim Frühaufgang im Sternbild der Fische. Daraufhin hat er dann später in der Region von Bethlehem alle Kinder, die jünger als zwei Jahre waren, töten lassen (für diese Tötung gibt es keine außerbiblischen Nachweise).
Die Magier wanderten nach der Auskunft in Jerusalem weiter in Richtung Bethlehem. Der Jupiter ging scheinbar vor ihnen her und blieb in Bethlehem stehen (das ist ein scheinbarer Stillstand und es passiert bei einer sog. Planetenschleife, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Planetenschleife ).
Die Magier freuten sich sehr, als sie Maria, Joseph und Jesus fanden, denn sie hatten ihr Ziel erreicht. Sie beteten das Kind an und gaben ihm wertvolle Geschenke.
Nach dem Lukas-Bericht waren Hirten durch Engel zum Geburtsort von Jesus hingeführt worden und die Hirten konnten daher die Weisen informiert haben.
Zusammenstellung der besonderen Sternenbewegungen im Geburtsjahr von Jesus
Nach Ferrari d’Occhieppo, S. 42 ff
Die vorausberechneten Himmelserscheinungen haben nichts mit Astrologie zu tun. In der Bibel wird der Sternenkult abgelehnt. So hatten z. B. die Israeliten bei ihrem Wüstenzug aus Ägypten den Stern Saturn (aramäisch Kewan) als Gott umhergetragen. Dieses Verhalten entsprach nicht dem Willen ihres Gottes JHWH. Und es wurde ihnen vom Propheten Amos vorgeworfen (Amos 5, 21 – 26).
Durch dieses astronomische Ereignis haben wir neben der Volkszählung einen weiteren Hinweis auf das Geburtsjahr von Jesus.
Für Christen handelt es sich um ein Zeichen Gottes: Gott will, dass das Weltereignis der Geburt von Jesus nicht nur regional (durch die Engel, die die Hirten in Betlehem informierten) sondern auch überregional (durch die Astronomen aus dem Osten) bekannt wird.
Dreimalige Begegnung von Planeten im Sternbild Fische (im Jahr 7 vor Chr.)
Datum | Erscheinung | Planet | VAT 290 | BM 35429 | Im Matthäustext | ||||||||
15.3.07 | Frühaufgang | Jupiter | x | wir haben seinen Stern im Aufgang gesehen | |||||||||
4.4.07 | Frühaufgang | Saturn | x | ||||||||||
20.7.07 | östl. Stillstand | Jupiter | x | x | |||||||||
27.7.07 | östl. Stillstand | Saturn | x | x | |||||||||
15.9.07 | Abendaufgang | Jupiter | x | x | |||||||||
15.9.07 | Abendaufgang | Saturn | x | ||||||||||
12.11.07 | westl. Stillstand | Jupiter | x | der Stern, den sie im Aufgang gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er an dem Ort stand, wo das Kind war | |||||||||
13.11.07 | westl. Stillstand | Saturn | x | ||||||||||
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VAT 290: Tontafel im Vorderasiatischen Museum Berlin | |||||||||||||
BM 35429: Tontafel im Britischen Museum London | |||||||||||||
Lit.: Ferrari d’Ochieppo: Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht, Giessen, 1994, Seiten 16 und 42, dazu P. Schnabel (s.o., S.68) | |||||||||||||
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Aufgang des Sternes | |||||||||||||
Der Zeitpunkt, zu dem der Stern erstmals am Himmel erscheint, heißt der Aufgang des Sternes. Der Aufgang kann abends erfolgen oder morgens. | |||||||||||||