Alte Handschriften

Handschriften des Alten Testaments

Der älteste Bibeltext war bis 1947 der Aleppo-Codex, der ca. 920 nach Chr. von jüdischen Schriftgelehrten, den sog. Masoreten, in Hebräisch geschrieben wurde. Er befand sich in der Zentralsynagoge in Aleppo, die 1947 in Brand gesteckt wurde. Große Teile dieser Schrift konnten gerettet werden und sind jetzt in Jerusalem im Israel-Museum. Eine vollständige Handschrift aus dem Jahr 1008/09 nach Chr. ist der Codex Leningradensis (Handschrift B19A)  in St. Petersburg (Russland). Es handelt sich um einen hebräischen Text, auch von  Masoreten geschrieben. Er wurde u. a. von Martin Luther zur Bibelübersetzung benutzt.

Bis 1947 gab es in Palästina nur wenig Schriftfunde aus dem Altertum. Gegen Ende 1946 warf ein arabischer Vieh-Hirt aus Neugier Steine in eine Höhle in Qumran am Toten Meer. Man konnte hören, dass etwas zerbrochen war. Ein anderer Hirt namens Dhib stieg später in die Höhle und fand einen Tonkrug (60 cm hoch) mit drei Schriftrollen. Im März 1947 hat er sie einem Antiquitätenhändler angeboten. Der Händler war ein syrisch -orthodoxer Christ. Er vermittelte ein Treffen mit dem syrisch-orthodoxen Metropoliten Mar Samuel. Der kaufte die Rollen. Der Metropolit nahm Kontakt auf zu Professor Eliezer Sukenik von der Hebräischen Universität in Jerusalem.

Qumranhöhlen © Erhard Bisanz

Sukenik war der erste, der das Alter der Dokumente erkannte. Sukenik kaufte deshalb weitere vier Rollen aus derselben Höhle am 29. November 1947, an dem Tag, an dem die Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedeten, die zur Gründung des Staates Israel führte.

In der Abbildung sehen wir an der Felsnase des linken Steilfelsens in Qumran die Höhle 4.

Tonkrüge in Qumran© Erhard Bisanz

Im Februar 1948 nahm der Metropolit Kontakt auf zur American School of Oriental Research in Jerusalem. Dort wurde das Fotografieren der Dokumente veranlasst. Dank der Fotografien sind diese Texte erhalten geblieben. Danach wurden die Dokumente an die Johns Hopkins Universität in Baltimore weitergereicht. Im April 1948 war klar, dass man das früheste bekannte Manuskript des Buches Jesaja gefunden hat. Die Altersbestimmung folgt aus Ergebnissen der C-14-Analyse des Ledermaterials und aus der Schriftform. Das war eine Sensation (Meldung in der Londoner Times am 12. April).  Der Metropolit brachte seine Rollen über den Libanon in die USA, um sie zu verkaufen. Wegen der ungeklärten Eigentumsverhältnisse hatte er lange Zeit keinen Erfolg. Im August 1954 gab er eine Anzeige im Wall Street Journal auf. Der Sohn von Prof. Sukenik nahm sie zur Kenntnis. Er veranlasste über einen Mittelsmann den Kauf für 250 000 Dollar und überreichte die Rollen dem Staat Israel. Für diese Rollen und die anderen Rollen von Sukenik wurde in Jerusalem ein eigenes Gebäude namens „Schrein des Buches“ errichtet.

(Lit. : James C. VanderKam: Einführung in die Qumranforschung. Geschichte und Bedeutung der Schriften vom Toten Meer. Vandenhoek und Ruprecht, Göttingen, 1998, S.36 ff).

Das führte im Anschluss zu intensiven Nachforschungen mit vielen weiteren Schriftfunden in verschiedenen Höhlen. 202 der über 870 Rollen sind Abschriften alttestamentlicher Bücher, die ältesten aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.

(Lit.: J. Maier: Studien zur jüdischen Geschichte, Walter de Gruyter, Berlin, 2004, S. 111ff; Lexikon zur Bibel, 8. Auflage 2010, SCM Brockhaus, vgl. aber auch den Artikel „Tanach“ bei wikipedia;  Welt und Umwelt der Bibel, Hrsg. Katholisches Bibelwerk, Heft 9, 3. Quartal 1998, Stuttgart, S. 40.- Eine gute Fundstelle für Schriften aus Qumran, Massada u. a. Orte am Toten Meer ist die Seite „deadseascrolls“ mit der Unterseite explore-the-archive.)

Am Toten Meer werden immer noch Schriftrollenfragmente und anderes mehr entdeckt, jetzt  im Wüstenreservat Nahal Hever. Dass die Arbeit dort  also noch weitergeht, zeigt ein Bericht des Israelnetzwerks vom 16.03.2021 .

Wie Alexander Schick ausführt, sollen durch die Zusammenarbeit zwischen dem Internetkonzern Google und dem Israel-Museum alle Schriftfunde von Qumran digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Als erstes Ergebnis befindet sich seit September 2011 unter anderem die große Jesaja-Rolle im Internet, ebenso die englische Übersetzung in Gegenüberstellung zum Masoreten-Text des Jesajabuchs. Die genaue Übersetzung der Rolle kann davon leicht abweichen.

Ein Vergleich mit dem Masoreten-Text, dem Aleppo-Codex, ist auch auf Hebräisch möglich. Die Fassung des Rollen-Textes stimmt in der Regel mit der masoretischen oder traditionellen Version in mittelalterlichen Handschriften wie dem Aleppo Codex überein, aber sie enthält auch unterschiedliche Lesarten, alternative Schreibweisen, Schreibfehler und Korrekturen. Erstmalig zeigt der Rollentext auch auf, wie Hebräisch in der Zeit des Zweiten Tempels ausgesprochen wurde.

Bei allen Unterschieden ist es jedoch erstaunlich, wie gering inhaltliche Abweichungen zwischen der großen Jesaja-Schriftrolle und dem Masoreten-Text sind.

Im Israel-Museum in Jerusalem ist eine Kopie der Schriftrolle zu besichtigen, manchmal werden sogar Teile des Originals gezeigt. Das Original wird speziell aufbewahrt.

In Jesaja 53 wird weit vor der Geburt von Christus der Gottesknecht angekündigt, der stellvertretend für die Schuld aller Menschen bestraft wird, um Versöhnung mit Gott zu schaffen. Aus den Texten des Neuen Testaments ergibt sich, dass mit dem Gottesknecht Jesus Christus gemeint ist. Jesus könnte schon in Nazareth aus dieser Schriftrolle vorgelesen haben (Lukas 4, 16 ff).